Die Frage, ob ein Projektmanager technisches Know-how in dem Themenfeld braucht, in dem er ein Projekt leitet, ist vielschichtig. Aus meiner eigenen Erfahrung und aus zahlreichen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass dieses Thema leidenschaftlich diskutiert wird.
Es erinnert ein wenig an die Diskussion im Fußball: „Muss der Trainer früher Spieler gewesen sein?“
Die Meinungen gehen auseinander. Die einen sagen, der Projektmanager hat „nur“ koordinative und planerische Aufgaben, die in jedem Projekt gleich sind – unabhängig von der Branche oder dem Thema. Die anderen argumentieren, dass nur jemand mit technischem Verständnis Projekte realistisch planen und Sachverhalte angemessen bewerten kann.
Ich habe dazu eine klare Meinung, und wie so oft lautet sie: Es kommt darauf an.
Die Aufgaben eines Projektmanagers – unabhängig von der Branche
Ein Projektmanager hat in jedem Projekt ähnliche Aufgaben – egal, ob es sich um ein IT-Projekt, ein Bauprojekt oder die Entwicklung eines Produkts handelt. Dazu gehören unter anderem:
- Planung
- Anforderungsmanagement
- Koordination
- Kommunikation
- Risikomanagement
- Change Management
Wenn wir ein beliebiges Projektmanagement-Buch aufschlagen, finden wir diese Aufgaben immer wieder. Sie sind universell. Warum sollte es also notwendig sein, dass ein Projektmanager zusätzlich technisches Know-how mitbringt?
Nun, es gibt einige überzeugende Argumente, warum technisches Wissen einen großen Unterschied machen kann.
Die Vorteile von technischem Know-how für einen Projektmanager
Ein Projektmanager, der weiß, welche Technologien, Software, Hardware oder Produkte in einem Projekt eingesetzt werden, bringt mit hoher Wahrscheinlichkeit ein grundlegendes Verständnis für diese Themen mit. Vielleicht hat er sogar selbst einen technischen Hintergrund, war früher Ingenieur, Entwickler oder Architekt.
Das gibt ihm wertvolle Einblicke:
- Er kennt Zusammenhänge: Er versteht, wie einzelne Systeme miteinander verbunden sind und wie Änderungen an einer Stelle Seiteneffekte an anderer Stelle auslösen können.
- Er kann Risiken bewerten: Verzögerungen, technische Hürden oder der Ausfall eines Dienstleisters lassen sich besser einschätzen, wenn der PM die technischen Details versteht.
- Erfahrung zählt: Ein PM, der technische Herausforderungen bereits in früheren Projekten erlebt hat, kann besser reagieren, wenn es zu Problemen kommt.
Realistische Szenarien im Projektmanagement
Wenn ein Projekt planmäßig verläuft, ist das Management in der Regel einfacher. Aber was passiert, wenn es schwierig wird?
- Technische Hürden: Was, wenn eine bestimmte Lösung nicht funktioniert wie geplant?
- Ausfall von Experten: Wenn beispielsweise der Architekt oder ein anderer wichtiger Experte im Team ausfällt, muss der PM immer noch die Verantwortung tragen und Entscheidungen treffen.
- Krisenmanagement: In stressigen Situationen kann ein PM mit technischem Wissen schneller fundierte Entscheidungen treffen, weil er die Auswirkungen besser versteht.
Der PM als Bindeglied zwischen Business und Technik
Ein weiterer großer Vorteil von technischem Know-how ist die Rolle des Projektmanagers als Bindeglied zwischen Business und Technik.
Hier müssen oft unterschiedliche „Sprachen“ übersetzt werden:
- Das Business: Stakeholder und Management verstehen oft nur begrenzt die technischen Details. Sie wollen wissen, warum sich etwas verzögert, welche Risiken bestehen und welche Auswirkungen ein Problem hat.
- Die Techniker: Entwickler oder Architekten sprechen oft in Fachbegriffen, die für Außenstehende schwer nachvollziehbar sind.
Ein Projektmanager mit technischem Verständnis kann hier vermitteln. Er übersetzt die Anforderungen des Business in technische Sprache – und umgekehrt. Ohne dieses Verständnis läuft man Gefahr, zur „Stille Post“ zu werden. Jede Rückfrage beim Team verlängert den Entscheidungsprozess und erhöht das Risiko von Missverständnissen.
Anerkennung im Team durch technisches Know-how
Ein PM, der technisches Verständnis mitbringt, genießt oft auch mehr Anerkennung im Team.
Das liegt nicht daran, dass er als Mensch mehr respektiert wird, sondern daran, dass er auf Augenhöhe kommunizieren kann. Jeder, der schon einmal versucht hat, einem Gegenüber etwas zu erklären, das dieser nicht versteht, kennt den Frust, der dadurch entsteht.
Mit technischem Wissen kann der PM nicht nur besser zuhören, sondern auch qualifizierte Rückfragen stellen und Diskussionen gezielter lenken. Das erleichtert die Zusammenarbeit erheblich.
Die Kehrseite: Der PM darf nicht zum Techniker werden
Natürlich gibt es auch eine andere Sichtweise: „Der PM muss nur managen, nicht die Materie verstehen.“
Hier liegt das größte Risiko im sogenannten Micromanagement. Selbst ein PM mit Expertenwissen darf niemals die Rolle eines Technikers oder Architekten übernehmen.
Warum Micromanagement schädlich ist:
- Vertrauensverlust: Wenn der PM die Entscheidungen seines Teams ständig infrage stellt oder gar übergeht, sorgt das für Frust.
- Rollenvermischung: Der PM ist der Manager, nicht der Fachspezialist. Seine Aufgabe ist es, das Team zu führen, nicht selbst technische Lösungen zu erarbeiten.
- Fehlende Tiefe: Selbst wenn der PM technisches Know-how mitbringt, ist er oft nicht so tief im Thema wie ein SME (Subject Matter Expert).
Der Schlüssel liegt also darin, die Balance zu finden. Technisches Wissen sollte der PM nutzen, um Entscheidungen zu erleichtern und die Zusammenarbeit zu verbessern – nicht, um sich in Details zu verlieren.
Muss ein PM technisches Know-how aufbauen?
Meiner Meinung nach ist es nicht zwingend erforderlich, aber sehr hilfreich.
Was tun, wenn technisches Know-how fehlt?
- Zuhören: Sei offen dafür, von deinem Team zu lernen.
- Nachfragen: Es ist kein Zeichen von Schwäche, etwas nicht zu wissen. Gute Fragen zeigen Interesse und stärken das Vertrauen im Team.
- Ehrlich sein: Gib zu, wenn du etwas nicht verstehst. Authentizität schafft Respekt.
Ein PM, der vorgibt, alles zu wissen, riskiert das Vertrauen seines Teams und gefährdet den Projekterfolg.
Fazit: Technisches Know-how ist ein Vorteil, aber kein Muss
Die grundlegenden Aufgaben eines Projektmanagers – Planung, Koordination, Kommunikation – sind universell und müssen beherrscht werden. Technisches Know-how ist kein Ersatz dafür, sondern eine sinnvolle Ergänzung.
Es hilft vor allem in schwierigen Situationen, als Bindeglied zwischen Business und Technik und für die Anerkennung im Team. Aber es darf niemals dazu führen, dass der PM seine Rolle als Manager verlässt und sich zu sehr in technische Details einmischt.
Am Ende gilt: Sei der beste Projektmanager, der du sein kannst – egal, ob mit oder ohne technischem Hintergrund.
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